Lilium, einst der Hoffnungsträger der Luftfahrtbranche, hat einen Insolvenzantrag für zwei seiner Kerngesellschaften, die Lilium GmbH und die Lilium eAircraft GmbH, gestellt. Dieser Schritt markiert das vorläufige Ende einer visionären, jedoch verlustreichen Reise des 2015 in Bayern gegründeten Unternehmens, das mit großen Plänen für ein autonomes Flugtaxi einst die Aufmerksamkeit internationaler Investoren auf sich zog.
Der Aufstieg und Fall eines einstigen Hoffnungsträgers
Die Geschichte von Lilium begann vielversprechend: Das Unternehmen, gegründet von Ingenieuren der Technischen Universität München, wollte mit senkrecht startenden, vollelektrischen Flugtaxis den städtischen Personentransport revolutionieren. Bereits 2017 konnte ein erster Prototyp präsentiert werden, und erste Absichtserklärungen wurden unterzeichnet – unter anderem mit der Schweizer Bundesbahn. Zu diesem Zeitpunkt floss eine finanzielle Förderung von 90 Millionen Euro durch das Business Incubation Centre Bayern in die ambitionierten Entwicklungsprojekte.
Die Finanzierung blieb jedoch eine Herausforderung. Bis 2020 hatte Lilium trotz fehlender Umsätze bereits 375 Millionen US-Dollar von Investoren erhalten. Eine neue Finanzierungsrunde ergab jedoch, dass der Unternehmenswert auf 240 Millionen US-Dollar gesunken war. In einem weiteren Schritt verlagerte Lilium seinen Hauptsitz in die Niederlande, und 2021 folgte ein Börsengang an der NASDAQ durch den Zusammenschluss mit einem SPAC, der weitere 430 Millionen US-Dollar in die Kassen spülte. Trotz dieser Erfolge und einer Bewertung von 2,4 Milliarden US-Dollar an der Technologiebörse stand das Unternehmen vor wachsenden finanziellen Herausforderungen.
Hohe Kosten, wachsender Kapitalbedarf und ausbleibende Gewinne
Mit der Entwicklung eines 7-sitzigen Flugtaxi-Modells und der zunehmenden Investition in Forschung und Entwicklung wuchsen auch die Verluste rasant. Allein im Geschäftsjahr 2020 betrugen die Verluste 188 Millionen Euro. Analysten schätzten bald, dass Lilium in naher Zukunft weitere 500 Millionen US-Dollar Kapital benötigen würde, um die Projekte fortzusetzen. Ende 2022 war der Kapitalbedarf so hoch, dass eine Finanzierungslücke im dreistelligen Millionenbereich offen eingestanden wurde.
Die angestrebten Markteinführungen verschoben sich zunehmend, und geplante Erstflüge und Zertifizierungen wurden immer weiter hinausgeschoben. Gleichzeitig gelang es Lilium, im Jahr 2023 zusätzliche Mittel in Höhe von 300 Millionen Euro zu sichern. Doch trotz dieser Finanzspritzen und Unterstützung auf Länderebene, wie der Zusage einer 50 Millionen Euro-Bürgschaft der Bayerischen Staatsregierung, konnte der kontinuierliche Kapitalverbrauch nicht gebremst werden. Der Bund verweigerte eine Bürgschaft, die notwendig gewesen wäre, um einen Darlehen über 100 Millionen Euro von der KfW zu erhalten.
Insolvenzantrag und neue Restrukturierungsversuche
Im Oktober 2024 stellte das Unternehmen schließlich den Antrag auf Insolvenz in Eigenverantwortung beim Amtsgericht Weilheim. Das Gericht nahm diesen Antrag an und bestellte Ivo-Meinert Willrodt von der Kanzlei Pluta als vorläufigen Sachwalter, um die Interessen der Gläubiger zu wahren. Zudem hat Lilium das Team um die Restrukturierungsexperten Thorsten Bieg und Gerrit Hölzle, Partner der Kanzlei Görg, verstärkt. Die beiden sind nun als Sanierungsgeschäftsführer für die operative Leitung der Sanierungsmaßnahmen verantwortlich. In der Vergangenheit betreuten sie ähnliche Verfahren, wie bei dem insolventen Windanlagenbauer Senvion und der Onlinehandelsplattform The Social Chain.
Rückblickend: Fehlende Unterstützung und eigenverantwortliche Entscheidungen
Im Zentrum der Unternehmensstrategie stand stets das Bestreben, innovative Technologien in die kommerzielle Anwendung zu bringen. Doch die Unternehmensführung äußerte auch Kritik an der fehlenden staatlichen Unterstützung in Deutschland für die Luftfahrt-Innovation. Der Geschäftsführer und ehemalige Airbus-Manager Klaus Roewe betonte mehrfach, dass die USA und China ihre Flugtaxi-Start-ups mit hohen Fördergeldern unterstützen, während in Deutschland eine vergleichbare Finanzierung weitgehend ausblieb. Allerdings ist anzumerken, dass Lilium sich bewusst von Deutschland entfernte: Die Firmensitze wurden in die Niederlande und die Produktion nach Großbritannien verlegt, die Börsennotierung erfolgte in den USA. Dies erschwert eine Rechtfertigung für staatliche Unterstützung seitens der deutschen Bundesregierung und des Steuerzahlers.
Fazit: Eine Zukunft mit ungewissem Ausgang
Lilium stand lange für die Zukunft des urbanen Luftverkehrs und verkörperte das Bild eines innovativen, disruptiven Start-ups. Doch der schnelle Kapitalverbrauch und das Fehlen eines klaren Geschäftsmodells führten letztlich zum Antrag auf Insolvenz. Inwieweit die neuen Sanierungsexperten und das verbleibende Managementteam es schaffen werden, das Unternehmen durch Umstrukturierungen und neue Finanzierungsquellen zu stabilisieren, bleibt offen. Während das Potenzial für einen Durchbruch im Markt der Flugtaxis nach wie vor existiert, zeigt der Fall Lilium auch, dass selbst große Visionen der Realität und den finanziellen Zwängen nicht entkommen können.