Die Gerhardi Kunststofftechnik GmbH aus Lüdenscheid hat am 25. November Insolvenz angemeldet und damit eine neue Hiobsbotschaft für die angeschlagene Autoindustrie gesendet. Rund 1.500 Mitarbeiter an den Standorten Lüdenscheid, Altena, Ibbenbüren und Montgomery (USA) stehen vor einer ungewissen Zukunft. Der Zulieferer, der seit 1796 besteht, produziert galvanisierte Kunststoffteile und zählt zu den wichtigsten Arbeitgebern in der Region.
Gründe für die Insolvenz: Auftragseinbruch und hohe Investitionen
Ein wesentlicher Faktor für die Krise scheint der Wegfall eines bedeutenden Auftrags von Mercedes zu sein. Ab 2025 war die Produktion von Kühlerschutzgittern für die elektrischen Baureihen der C-Klasse und des GLC geplant. Auch für die A- und B-Klasse waren neue Projekte vorgesehen. Doch sinkende Abrufzahlen und stockende Verhandlungen haben diese Pläne durchkreuzt. Gleichzeitig belasteten hohe Investitionen, etwa in eine moderne Roboter-Lackieranlage in Ibbenbüren, das Unternehmen finanziell.
Laut internen Berichten wurde ein Gutachten nach IDW S6 in Auftrag gegeben, um die wirtschaftliche Lage zu bewerten. Dieses soll durch die auf Sanierung spezialisierte Firma Auxil erstellt werden. Die Geschäftsführung zeigt sich dennoch vorsichtig optimistisch und hofft auf eine positive Zukunftsperspektive.
Finanzielle Lage und Mitarbeiterfragen
Im Geschäftsjahr 2022 verzeichnete Gerhardi noch einen Umsatz von etwa 200 Millionen Euro und Gewinne. Angesichts dieser positiven Bilanz hatte das Unternehmen auf eine Erholung der Märkte gesetzt. Doch bereits im Sommer 2023 verschlechterte sich die Lage, insbesondere am Standort Ibbenbüren, wo Kurzarbeit eingeführt und der Abbau von Arbeitsplätzen für 2025 angekündigt wurde.
Die Belegschaft wurde erst spät über die Insolvenz informiert. In einem Schreiben betonte die Geschäftsleitung, dass die Gehälter vorerst gesichert seien. Aussagen zu möglichen Kündigungen blieben jedoch aus. Nun liegt es am vorläufigen Insolvenzverwalter Jan-Philipp Hoos von der Kanzlei White & Case, die nächsten Schritte zu koordinieren. Eine seiner ersten Aufgaben wird die Vorfinanzierung des Insolvenzgelds sein.
Ein Traditionsunternehmen am Scheideweg
Gerhardi blickt auf eine lange Geschichte zurück: Gegründet im 18. Jahrhundert, stellte das Unternehmen zunächst Messing- und Kupferschnallen sowie Tee- und Kaffeeservices her, bevor es sich auf Kunststoffteile für die Automobilindustrie spezialisierte. Diese Tradition und die Position als einer der größten europäischen Produzenten galvanisierter Kunststoffteile machen die Insolvenz umso einschneidender.
Die kommenden Wochen werden entscheidend sein, um die Zukunft des Unternehmens und seiner Mitarbeitenden zu klären. Zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat wurden bereits Verhandlungen über einen Sozialplan geführt, doch die Insolvenz stellt diese Gespräche infrage. Der Ausgang bleibt ungewiss, doch die gesamte Region blickt gespannt auf die Entwicklung bei Gerhardi.
Die Insolvenz ist ein weiteres Beispiel für die Herausforderungen, denen sich die Automobilindustrie angesichts sinkender Nachfrage, hoher Kosten und globaler Umwälzungen stellen muss. Sie verdeutlicht, wie selbst etablierte Unternehmen mit langer Tradition in Krisenzeiten ins Straucheln geraten können.